„Er trug all unsere Hoffnungen“, lautete die Überschrift eines Nachrufs auf Stefan Bellof im Motorsportmagazin „Rallye Racing“ nach seinem Unfalltod am 1. September 1985 auf der Rennstrecke von Spa-Francorchamps. Die Hoffnungen waren groß, ebenso die Anzahl der Menschen, die der junge Gießener mit seiner fröhlichen, offenen Art, aber auch mit seiner spektakulären Fahrweise und seinem enormen Einsatzwillen begeistert hatte. Eine viel zu kurze Karriere, die ihn aber immerhin auf WM-Ebene geführt hat. In kürzester Zeit, wie alles bei Bellof, irgendwie im Zeitraffer.
In den frühen 80er Jahren erlebten deutsche Formel-1-Fans eher schwierige Zeiten. Hans-Joachim Stucks Karriere in der Klasse war nach der deprimierenden Saison 1979 mit nur zwei WM-Punkten im ATS-Ford zu Ende, Jochen Mass kehrte 1982 nach einem Jahr Pause zwar in die Formel 1 zurück, hatte aber im kaum konkurrenzfähigen March-Ford keine Chance. Es gab jedoch Hoffnung, denn in der Formel-2-EM hatte Stefan Bellof den Saisonauftakt 1982 in Silverstone gewonnen. Für sein Heimspiel, das „Jim-Clark-Rennen“ in Hockenheim, stellte er seinen Maurer-BMW auf die Poleposition. Eigentlich kam der alte Kurs im Hardtwald mit seinen langen Geraden eher den stärkeren Honda-V6-Triebwerken entgegen. So eroberte der Belgier Thierry Boutsen im Spirit-Honda im Rennen die Führung, seine Freude währte jedoch nur sechs Runden. Dann übernahm Stefan Bellof das Kommando, drehte en passant die schnellste Rennrunde und siegte nach 30 Runden mit einem Vorsprung von fast fünf Sekunden auf Boutsen. Zwei Rennen, zwei Siege. Der Start seiner Formel-2-Karriere hätte für Bellof besser nicht verlaufen können. Logisch, dass das auch in der Formel 1 registriert wurde.
Mitte der 60er Jahre entdeckten zwei Rotzlöffel auf dem Hof des elterlichen Karosserie- und Lackierbetriebs in Gießen den 260er Goggomobil als ihr neues Lieblingsspielzeug. Die Brüder Georg und Stefan Bellof definierten ihr ausgeprägtes Faible für Geschwindigkeit neu. Nach Fußball, Skilaufen, Squash und Tennis war nun das Rennfahren dran. Dabei ging das alte Gefährt schnell in die Brüche und landete auf dem Schrottplatz. Die geweckte Leidenschaft für den Motorsport indessen keimte und wollte befriedigt werden. Dafür fanden die beiden in einer Familie, in der seit Längerem der Renn-Bazillus grassierte, viel Aufgeschlossenheit. Schon der Großvater fuhr vor dem Krieg Rennen, mit dem Fahrrad im Opel-Rennstall. Der Vater wiederum war ein flotter Mann am Berg gewesen.
Schließlich nahm sich der Großvater ein Herz und schenkte den Buben das erste Kart, das er günstig auf einer Kirmes erstanden hatte. Nun drehten „Goa“ Bellof und der eineinhalb Jahre jüngere Stefan immer neue Rekordrunden auf dem Firmengelände. „Wenn der Stefan und der Georg Skirennen gefahren sind und der Slalom zur Besichtigung freigegeben war“, charakterisierte die Mutter einmal die unterschiedlichen Naturelle, „dann ist der Georg den Kurs abgelaufen, hat sich konzentriert und ist dann traumhaft sicher abgefahren. Der Stefan dagegen sprang herum, machte eine Schneeballschlacht oder sonst etwas. Entweder hat er dann anschließend den Slalom gewonnen, oder er hat alle Stangen abgeräumt.“ …
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von Thomas Guthmann und René de Boer
Fotos: Sammlung Guthmann, Hans Schmidt, McKlein, Kräling, Müllender, Renault