AUTOMOBILSPORT #31

RACING | HISTORY | PASSION

AUSGABE #31

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TITELTHEMA

Lancia Stratos HF 1973–1982

Die Entstehung eines „Supercars“
In die Stratosphäre – Die siegreichen Jahre 1974–1976
Vorzeitiger Ruhestand – Die letzten Werkseinsätze
Auf ungewohntem Terrain – Der Stratos auf der Rundstrecke
Lancia Stratos Resultate

Die Entstehung eines „Supercars“

Der Volksmund weiß: „Ein jeder mächtge Baum war einst ein kleines Samenkorn.“ Übertragt man dieses alte Sprichwort auf den Lancia Stratos HF, dann war der Stratos ein riesiger kalifornischer Mammutbaum, und das Samenkorn war ein Automobil, das auf dem Turiner Autosalon 1970 von Bertone vorgestellt wurde.

Der von Bertone auf dem Turiner Salon gezeigte Wagen basierte auf einem frontgetriebenen Lancia-Fulvia-Chassis, das aber im Prinzip umgedreht wurde, sodass sich der V4-Motor hinter den beiden Passagieren befand und nun die Hinterräder antrieb. Die Karosserie hatte Marcello Gandini entworfen, der sich bereits mit dem Lamborghini Miura und dem Countach einen Namen gemacht hatte.

Mit einer Höhe von nur 84 cm war die Neuvorstellung ein beeindruckendes Beispiel dafür, was man mit dem Konzept eines keilförmigen Autos erreichen kann. Um in das Auto einzusteigen, musste der Fahrer die Windschutzscheibe wie die Luke einer Mercury-Raumkapsel „öffnen“ und einsteigen, während er die Sicherheitslenksäule überquerte. Als Nuccio Bertone den Wagen im Januar 1971 nur zwei Wochen nach seinem zweiten öffentlichen Auftritt auf dem Brüsseler Autosalon fuhr, um ihn den Lancia-Chefs im Reparto Corse zu zeigen, musste er nicht warten, bis die Sicherheitsleute die Schranke hochzogen – er fuhr einfach darunter durch!

Sowohl in Turin als auch in Brüssel wurde dieses Auto von Bertone unter dem Namen „Lancia Stratos Zero“ ausgestellt. Mit seiner Lackierung in „Bronze Metallic“ und seinem futuristischen Aussehen zog es viel Aufmerksamkeit auf sich. Aber unter all den Gästen auf dem Autosalon war nur ein einziger, der mit seinem Weitblick und seinem Ideenreichtum erkannte, dass man aus diesem Traumauto noch etwas ganz anderes, ein viel aufregenderes Fahrzeug, machen konnte. Dieser Mann war Cesare Fiorio, unter dessen Leitung sich die Lancia-Rennsportabteilung in nur acht Jahren zu einer Größe im internationalen Rallyesport entwickelt hatte. Die Fulvias des Reparto Corse waren die größten Herausforderer von Ford, Alpine-Renault und Porsche und hatten 1969 die Rallye-Europameisterschaft gewonnen…

Mehr im aktuellen Heft!

von John Davenport

Fotos: Motorsportimages/Rainer Schlegelmilch, McKlein

In die Stratosphäre

Die siegreichen Jahre 1974–1976

Der Lancia Stratos spielte sein Potenzial von Beginn an voll aus. Nach der Homologation Anfang Oktober 1974 gewann der Neuling mit drei Siegen in den letzten fünf Läufen dieser verkürzten Rallye-WM-Saison auf Anhieb den Titel. Auch 1975 und 1976 holte der Stratos die Weltmeisterschaft – und wurde so zu einem der erfolgreichsten Rallyeautos aller Zeiten.

Die technische Abnahme der Sanremo-Rallye 1974 fand am 2. Oktober statt. Die Stempel auf den Homologationspapieren waren kaum trocken, als der Stratos bei seinem ersten WM-Einsatz ein Traumergebnis erzielte. Lancia hatte zwei Stratos mit Amilcare Ballestrieri und Sandro Munari sowie zwei Beta Montecarlos als zweite Garde gemeldet. Ihnen standen nicht weniger als sieben Fiat 124 Abarth Rally gegenüber. Fiat war 1973, im ersten Jahr der Rallye-Weltmeisterschaft, hinter Alpine-Renault Zweiter geworden und wollte nun endlich den Titel holen.

Wegen der Ölkrise Ende 1973 waren in der Saison 1974 die ersten WM-Läufe abgesagt worden. Fiat hatte in Portugal gewonnen, Lancia wurde bei der Safari-Rallye Dritter. Die Rallye Sanremo – erst das vierte Event auf dem WM-Kalender – wollten beide Turiner Teams unbedingt gewinnen.

1974: Erste Saison, erster Titel

Für Fiat lief es auf heimischem Boden nicht gut, sechs der Werkswagen fielen aus. Auch Ballestrieri erreichte das Ziel nicht. Munari gewann 14 der 38 Sonderprüfungen und hatte am Ende fast acht Minuten Vorsprung vor dem verbliebenen Fiat Abarth. Damit führte Fiat mit 48 Punkten gegenüber Lancia mit 32 Punkten in der WM-Wertung. Rund zwei Wochen später gewann Jean-Claude Andruet mit einem Lancia Stratos Turbo der Gruppe 5 den Giro d’Italia, eine Veranstaltung, die wie die Tour de France eine Mischung aus Rallye-Etappen und Rundstreckenrennen war und nicht zur Weltmeisterschaft zählte.

Die nächsten beiden WM-Läufe waren neu im Kalender und fanden in Nordamerika statt. Die Rallye Kanada wurde zum Lancia-Triumph: Munari im Stratos siegte mit knappem Vorsprung vor seinem Teamkollegen Simo Lampinen im Beta Coupé, nachdem alle drei Werks-Abarths ausgefallen waren. Die 1974 auf der Michigan-Halbinsel ausgetragene „Press-on-Regardless Rally“ erlangte durch den gescheiterten Versuch eines örtlichen Sheriffs, Munaris Stratos auf einer Wald-Sonderprüfung zu verfolgen, zweifelhafte Berühmtheit. Der Stratos schied schließlich mit einem defekten Verteiler aus, sodass Fiat mit einem zweiten Platz Punkte sammeln konnte, während Lampinen – ein kleiner Trost für Lancia – zumindest noch Platz vier holte…

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von John Davenport

Fotos: McKlein

Back on Track

Porsche 911 ST 2.3 – Der grüne Pistenspringer

So wie dieser Wagen aussah, als er im Vaasa Auto Museum in Finnland stand, ließ sich nichts von seiner Anfangsgeschichte erahnen. Der fahrbereite Wagen war rot, sah eher aus wie ein Porsche 935 und hatte einen 3,6-Liter-Saugmotor mit 355 PS vom Typ 964 im Heck. Für Einsätze im Rallyecross war dieser Porsche mehrmals und tiefgreifend modifiziert worden. Man hatte ihn mittlerweile auf Allradantrieb umgebaut, die Bremsen stammten vom Porsche 930 Turbo, das Getriebe vom Typ 915, das vordere Differenzial von einem 3er BMW und die Frontachsen sowie Servos von Audi. Der Porsche war zwar lauffähig, jedoch weit weg von seinem Ursprungszustand.

Porsches Geheimrezept: Kundensport

Dieses Fahrzeug, wie es ursprünglich ausgeliefert und eingesetzt wurde und wie es heute wieder dasteht, ist ein Porsche 911 ST mit 2,3-Liter-Motor. Rund 30 solcher Rennversionen wurden 1970 und 1971 von Porsche gebaut. Zu dieser Zeit legte man in Stuttgart die Basis für eine jahrzehntelange Erfolgsgeschichte. Vor allem dank der baukastenartigen Umbaumöglichkeiten des Porsche 911, vom Zweiliter-Fahrzeug bis hin zum über 800 PS starken Typ 935, ließ ein 911 sich über viele Jahre erfolgreich einsetzen und entsprechend der jeweiligen Homologationskriterien weiterentwickeln. Ein weltweites Netzwerk, Ansprechpartner wie Jürgen Barth, der über viele Jahre als Leiter der Kundensportabteilung den Kunden mit Rat und Tat zur Seite stand, umfangreiche Ersatzteilversorgung ab Werk und der 1970 erstmals ausgeschriebene Porsche Cup als interne Wertung inklusive Preisgeldern für die erfolgreichsten internationalen Fahrer – dank all dieser Faktoren, und nicht zuletzt auch wegen seiner Zuverlässigkeit, war ein Porsche 911 für viele Privatfahrer der Rennwagen der Wahl.

Laut Kardex-Karte wurde dieser „11er“ im Juni 1970 von der Serienproduktion an die Motorsportabteilung überstellt. Dort bekam der Porsche dem Gruppe-4-Reglement entsprechend unter anderem vordere Kotflügel und Stoßstangen aus Kunststoff, seitliche Kunststoffscheiben, eine Heckscheibe aus Kunststoff und einen seitlich geklebten Porsche-Schriftzug. Man montierte einen 100-Liter-Plastiktank mit zentralem Einfüllstutzen, der dazugehörige Geber wurde mitgeliefert. Außerdem wurde der Motor von 2,2 Litern auf 2,3 Liter umgerüstet und „auf Leistung gebracht“…

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von Jacob Queißner

Fotos: Sammlung Roock Sportsystem, Sammlung Robert Weber/Toni Temburg, McKlein, Alex Babic