„Als das Gruppe-C-Langstreckenprogramm Anfang 1982 begann, war der neue Porsche 956 bereits ein großartiges Gerät. Gleich ab dem ersten Mal, als wir ihn fuhren.“
Derek Bell
Die Porsche 956 und 962 sind nicht nur die erfolgreichsten Rennfahrzeuge in der an Höhepunkten nicht armen Motorsportgeschichte von Porsche, sondern auch die Sportprototypen, die in der Sportwagen-Weltmeisterschaft im Laufe ihrer fast 70-jährigen Historie die meisten Gesamtsiege erzielt haben.
Es gibt inzwischen zahlreiche Bücher über die Entstehung und die Renngeschichte der Porsche-Rennwagen der Gruppe-C-Ära. Jedoch fehlte bisher ein Buch, das ausschließlich die Entwicklung und den Einsatz des ersten Porsche 956 dokumentiert und so offenlegt, welche Überlegungen bei Porsche dem Engagement in der Gruppe C zugrunde lagen und welche Probleme bei diesem Projekt zu bewältigen waren.
Wie viele andere Exemplare des Porsche 956 befindet sich auch der erste Wagen mit der Chassisnummer 956 001 in einer wertvollen Privatsammlung. Dem Eigentümer in England ist es zu verdanken, dass dieses Buch zustande kam. Mit Begeisterung stellte er seinen 956 für Fotografien zur Verfügung und ließ die Originalität zudem durch die Ingenieure von Porsche in Weissach überprüfen. In diesem Zusammenhang verdient die Unterstützung des Buchprojekts durch den viel zu früh verstorbenen Walter Näher und Porsches „Mister 956“ Norbert Singer besondere Erwähnung. Mit deren Hilfe war es möglich, viele Originaldokumente aus der Entwicklungs- und Testphase des 956 001 zu sichten und auszuwerten.
Start in eine neue Epoche
Wenn man die gegenwärtigen Schwierigkeiten bei der Festlegung einer BoP (Balance of Performance) zwischen den ab 2023 konkurrierenden Fahrzeugen der Klassen LMH (Le Mans Hypercar) und LMDh (Le Mans Daytona hybrid) in der World Endurance Championship und der IMSA Series verfolgt, kann man den Machern des Reglements der Gruppe C ab 1982 nur größten Respekt zollen. Nach der Bestimmung der Fahrzeugabmessungen ging es ausschließlich darum, einen festgelegten Höchstverbrauch einzuhalten, wobei die Ingenieure bei der Erreichung dieses Ziels technisch freie Hand hatten.
Porsche nahm diese Herausforderung an. Am 22. Juni 1981 entschied der Vorstand der Porsche AG, dass das Werk mit einem Fahrzeug nach den ab 1982 geltenden Regeln der Gruppe C an den Start gehen sollte. Unter Berücksichtigung der durch das neue Regelwerk bestimmten Grundmaße erstellte Horst Reitter noch im Juni 1981 die ersten Zeichnungen eines Gruppe-C-Rennwagens. Auf dieser Grundlage entstand ein Modell im Maßstab 1:5, mit dem sich Norbert Singer bereits im August 1981 in den Windkanal der Universität Stuttgart zurückzog. Von Anfang an war klar: Der spätere Erfolg des 956 hing davon ab, dass man einen gelungenen Kompromiss zwischen einer auf hohe Endgeschwindigkeit ausgelegten Aerodynamik einerseits und einer vom Ground-Effect bestimmten Kurvengeschwindigkeit andererseits fand.
Porsche betrat in mehrfacher Hinsicht technisches Neuland. Der 956 war das erste Rennfahrzeug des Stuttgarter Unternehmens in Monocoque-Bauweise und zugleich auch der erste Ground-Effect-Wagen. Trotz aller Schwierigkeiten schritt die Entwicklung zügig voran. Das erste nicht nummerierte Probechassis war im November 1981 fertig. Unmittelbar danach entstand der Porsche 956 001…
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von Thomas Nehlert
Fotos: Porsche, Rob Powell, Sammlung Peter Hoffmann, DPPI, Alexander Babic