Michael Keyser startete 1972 mit einem privat eingesetzten Porsche 911 ST bei fünf Läufen zur Marken-Weltmeisterschaft und ließ sich und die Protagonisten dabei von einem Kamerateam begleiten. Aus dem einzigartigen Material schuf er unter dem Titel „The Speed Merchants“ einen Buch- und Filmklassiker der Motorsportgeschichte. Für uns öffnet der heute 68-jährige Amerikaner sein Archiv, blickt zurück auf den Kauf der seltenen 911er Rennversion und den ersten Einsatz in Europa – die legendäre Targa Florio.
Meine Beziehungen zu Porsche gehen auf die späten 1950er Jahre zurück, als mir mein Vater erlaubte, ab und an seinen roten Speedster von der Hauptstraße zum Haus zu fahren. Da war ich elf Jahre alt. Im Sommer 1966, ich hatte gerade die Schule abgeschlossen, wurde mir die beneidenswerte Aufgabe übertragen, Daddys neuen 911 im Werk abzuholen. Drei Klassenkameraden waren mit von der Partie, und jeweils zu zweit ging es an Bord des Porsches und eines geliehenen VW auf eine „Grand Tour” Stuttgart-Straßburg-Paris-Chartres-Tours-Beaune-Dijon-Genf-Lausanne-Zürich-St.Moritz-Innsbruck-München-Salzburg-Cortina-Venedig-Florenz-Siena. Nach dieser Sightseeing-Tour im Schnelldurchgang landeten wir an unserem Sommerwohnsitz in Porto Ercole an der Mittelmeerküste. Von dort aus reiste der 911 dann per Schiff weiter nach Baltimore...
1969 war ein guter Freund namens John Shaw begeistert vom 12-Stunden-Rennen in Sebring nach Maryland zurückgekommen. Sein Enthusiasmus sprang auf mich über, und so erwarben wir zusammen einen grünen Porsche 911 S Baujahr 1967. Und setzten ihn mit Bob Jennings als Fahrer in der Zweiliter-Klasse der TransAm-Serie ein. Beim WM-Lauf in Watkins Glen teilte er sich die Arbeit dann mit Mike Downs. Im Herbst 1969 absolvierte ich mit dem Auto in Marlboro meinen ersten Rennfahrerkurs, an den sich im folgenden Frühjahr ein zweiter in Bridgehampton anschloss. 1970 fuhr Jennings das Auto dann unter der Bewerbung Toad Hall Racing mit Bob Tullius in Daytona, Sebring und Watkins Glen, während ich den 911er in SCCA-Rennen pilotierte. Das ging 1971 so weiter, dazu kamen dann Einsätze mit Bruce und Bob Beasley in Daytona und mit Bruce in Sebring und Watkins Glen. Am „Glen“ hatte ich einen Unfall mit Herbie Müllers Ferrari 512 M, als sich ein anderes Auto vor uns drehte. Ich verkaufte den beschädigten Wagen an Bruce und orderte Ende 1971 bei Porsche einen der neuen 911 S 2.5.
Ich dachte, es wäre nicht verkehrt, aus diesem Anlass mein Gesicht in Zuffenhausen zu zeigen. Also stattete ich Mitte Dezember zusammen mit Franz Blam Porsche einen Besuch ab. Franz hatte just einen neuen Job als Servicemanager bei North Lake Porsche-Audi in Tucker, Georgia, übernommen und sich bereit erklärt, die Vorbereitung des Autos zu überwachen. Irgendwo über dem Atlantik nahm dann eine Idee Formen an, mit der ich schon seit längerem schwanger gegangen war. Seit mich der Rennbazillus zwei Jahre zuvor befallen hatte, führte ich fast einen persönlichen Kreuzzug, um Außenstehenden die ganze Faszination des Motorsports näherzubringen. Aus diesem Grund vollführte ich ein wahres Groundhopping auf Rennplätzen in den USA und Europa. Aus den dabei entstandenen Fotos ging das Buch The Speed Merchants hervor. Dieses Foto-Essay war fast fertig, als mir als logische Fortsetzung ein Dokumentarfilm in den Sinn kam. Als Inspiration diente mir ein einstündiges TV-Special über Stockcar-Rennen mit dem Titel The Hard Chargers. Es hatte Kinoformat und gefiel mir. Also sprach ich in New York mit einem der Produzenten, um die Möglichkeiten auszuloten. Mein Plan: Wir nehmen den neuen Porsche, starten damit bei einigen Läufen zur Marken-WM und filmen parallel dazu einen spannenden Dokumentarfilm über die Serie. Wo erlaubt, montieren wir auch noch Kameras ans Auto. Es schien alles sehr logisch für mich, zumal mit dem Vertrieb des Films sicher auch etwas Geld zu machen sein würde. Bruce Browns Surf-Klassiker Endless Summer war mir noch frisch im Gedächtnis.
Bei der Ankunft im Porsche-Werk trafen wir Jürgen Barth, der in dieser Zeit noch in der Sportpresseabteilung arbeitete. Unser Auto war bereits im Aufbau, und ich nutzte die Chance, ein paar Fotos im Karosseriebau zu machen, wo aus der serienmäßigen Elfer-Hülle breitere Kotflügelausbuchtungen ausgeformt wurden. Wir durften auch einen der neuen 2,5-Liter-Einspritzmotoren begutachten. Jürgen war damals gerade dabei, in die Fußstapfen seines verstorbenen Vaters Edgar Barth zu treten. Vor unserer Abreise bot ich ihm an, 1972 einige Rennen mit mir zu fahren. Ich erzählte ihm auch von meiner Idee mit dem Film, und seine unmittelbare Reaktion war positiv. Wir kamen überein, in den nächsten Wochen in Kontakt zu bleiben – und zurück ging es über den Atlantik.
Zwischen der letzten Dezember- und der ersten Januarwoche stellte ich im Eilverfahren eine komplette, in New York stationierte Filmcrew zusammen. Und schmiedete Pläne für Drehs und Renneinsätze in Daytona, Sebring, bei der Targa Florio, am Nürburgring sowie in Le Mans und Watkins Glen. Für das erste Rennen in Daytona, das diesmal wegen der Energiekrise nur über sechs Stunden gehen würde, hatte ich bereits Bob Beasley aus Richmond, Virginia, als zweiten Fahrer gewonnen. Jürgen sollte dann ab Sebring einsteigen und alle übrigen Läufe bestreiten. In Daytona hatten wir Probleme und kamen nicht ins Ziel, doch war das Wochenende nicht ganz umsonst. Denn Hans Mandt, der einige Jahre lang für Peter Gregg gearbeitet hatte, entschloss sich noch während des Rennens, zu kündigen und bei uns anzuheuern. Franz, dessen Arbeit bei North Lake ihm die Reisen nach Europa verwehrt hätte, trat großzügig zurück.
In der Garage seines Hauses in Jacksonville bereitete Hans den gelben 911 2.5 ST für Sebring vor. Als Mitglied des PCA entschied ich, bei allen internationalen Rennen einen Aufkleber des Porsche Club of America an den oberen Rand der Windschutzscheibe zu kleben. Der raue Sebring-Flugplatzkurs forderte von uns Tribut; mit einer losen Zwischenwelle war das Rennen für mich und Jürgen vorzeitig beendet. Nachdem wir in Daytona noch mit einer relativ kleinen Mannschaft vor Ort waren, ging Toad Hall Productions, so der Name der Filmproduktionsfirma, in Sebring in die Vollen. Ich kann mich nicht mehr ganz genau erinnern, aber es waren gut und gerne 30 Toads („Kröten”) mit Kameras und Mikrofonen an jedem Winkel der Strecke im Einsatz.
Schon vor dem Daytona-Rennen hatte ich in persönlichen Briefen den Teammanagern und wichtigsten Fahrern von Ferrari, Alfa Romeo, Lola und Mirage dargelegt, was ich mit dem Film erreichen wollte, und sie zugleich um ihre Mithilfe gebeten. Zu unserer großen Freude waren die meisten sehr kooperativ, ganz speziell der damalige Ferrari-Rennleiter Peter Schetty. Mit seiner Erlaubnis durfte eines unserer vier Kamerateams, in Erwartung der vor dem Rennen obligatorischen Motorenwechsel und anderer Vorbereitungen, rund um die Box Lichter aufstellen. Meine Jungs waren noch nicht fertig, als sich die Mechaniker plötzlich zum Abendessen aufmachten. Überraschend gab uns Schetty die Schlüssel zur Box, verbunden mit der Bitte, sie doch nach Beendigung unserer Arbeit im Restaurant, in dem die Mannschaft speiste, vorbeizubringen!
Nach Sebring hatten wir etwas über einen Monat Zeit, um das Auto für die nun folgenden drei europäischen Rennen vorzubereiten. Der Seetransport im Bauch eines GMC-Transporters mit hydraulisch verstellbarer Plattform erfolgte von Jacksonville, Florida, nach Hamburg. Zu jener Zeit benutzten wir Firestone-Reifen, und neben Ersatzteilen sowie einem Ersatzmotor und -getriebe stopften wir auch noch so viel Gummi wie möglich hinein. Hans sollte nach Frankfurt fliegen, von dort einen Zug nach Hamburg nehmen und dann mit dem Transporter (und dem 911) nach Stuttgart kommen. Denn als Basis für unser Europa-Abenteuer hatten wir den Porsche-Händler und -Tuner Max Moritz in Reutlingen gewonnen. Als mein persönliches Fortbewegungsmittel für die nächsten anderthalb Monate erwarb ich über Max Moritz einen zweiten „Leichtbau”-2,5-Liter. Diesen setzten wir dann bei der Targa Florio auch als T-Car und Kameraauto ein. Wie das eigentliche Rennauto war auch dieses „Rallye”-Auto gelb lackiert…
Mehr im aktuellen Heft!
von Michael Keyser
Fotos: Michael Keyser