Jürgen Barth Barth kletterte Anfang Juli dieses Jahres noch einmal in das Cockpit seines ehemaligen Einsatzfahrzeuges aus der Markenweltmeisterschaft 1977, das ungebremst erst am Kremer-Porsche-Heck von John Fitzpatrick und dann in einem durch dicke Drahtseile verstärkten Fangzaun landete. Der Werks-Martini-Porsche 935/77-004 glich einem Schrotthaufen, doch heute steht er wieder frisch restauriert in Deutschland.
Für die Markenweltmeisterschaft der Gruppe 5 hatte Porsche 1977 ein neues Flaggschiff an den Start gebracht, den neuen Martini-Porsche 935/77. Neben dem verbesserten 76er Werks-Auto startete der neue Gruppe 5-Renner mit wesentlichen Änderungen an der Karosserie und erstmals mit Doppelturbo-Motor in den zweiten Lauf zur Marken-WM am 20. März 1977 in Mugello. Die Rahmenbedingungen schienen allerdings nicht optimal: War doch einer der Werkswagen beim ersten Lauf in Daytona (der von Jacky Ickx und Jochen Mass) nach einem Reifenschaden in die Mauer der Steilwandkurve geprallt.
Beim neuen Martini-Werksauto wurde die Aerodynamik des Wagens durch die geänderte Linien-führung der Karosserie erheblich verbessert. Der Sechszylindermotor besaß jetzt zwei Turbolader, was einerseits das Ansprechverhalten erheblich verbesserte und andererseits rund 30 Mehr-PS bewirkte. Die Bremsanlage erhielt einen Servo-Apparat, und die Lenkung wurde durch eine geänderte Aufhän-gungsgeometrie um einiges erleichtert, was die Fahrer sehr zu schätzen wussten. Manfred Schurti, der die meisten Tests in Le Castellet absolviert hatte, verglich das Fahrverhalten des neuen Wagens mit einem Formel-Auto: "Er ist wendig, präzise und reagiert blitzschnell", gab Schurti damals zu Protokoll. "Diesen Wagen kann man weich und ohne großen Kraftaufwand fahren." Die im Vortraining gezeigte Überlegenheit des 77er 935 schien beim offiziellen Training am Samstag plötzlich verflogen. Wegen verschiedener Versuche mit anderen Federn und Einstellungen hatte der Wagen etwas die Balance verloren, und Jochen Mass kostete es alle Mühe, die von Schurti im Vorjahres-Auto vorgelegten 2.11,5 min zu unterbieten.
An diesem Wochenende ließ auch die gesundheitlich Verfassung der Werks-Fahrer nichts Gutes erahnen. Rolf Stommelen plagte entsetzlicher Muskelkater und Manfred Schurti reiste mit kaum auskurierter Grippe nach Mugello. Jochen Mass stieg bereits nach 90 Renn-Minuten aus seinem Wagen und musste sich übergeben. Sein Copilot Jacky Ickx hatte schon vor dem Rennen absagen müssen — er war an Mumps erkrankt. Lediglich Ersatzmann Jürgen Barth schien als Einziger topfit zu sein. "Ich übernahm das Auto von Jochen nach dessen Stint", erinnert sich der Le Mans-Sieger von 1977. "John Fitzpatrick lag im Kremer-935 K2 hinter uns, und wir mussten nach einer weiteren halben Stunde bei einem Boxenstopp die Bremsbeläge wechseln, durch die Servo-Bremsunterstützung waren die komplett runter."
Nachdem Jürgen Barth die Boxen wieder verlassen hatte und hinter Fitzpatrick auf die erste Rechtskurve zu fuhr, fiel das Bremspedal beim Anbremsen ins Leere. "Böse Zungen behaupteten immer noch, ich hätte den Bremsdruck nicht aufgepumpt", schmunzelt Jürgen Barth. "Tatsache war, das haben wir später erst festgestellt, dass der Hauptbremszylinder gefressen hatte und blockiert war, dadurch gab es keinen Pedaldruck." …
von Robert Weber
Fotos: Historisches Archiv Porsche AG, Robert Weber, Manfred Freisinger