Vor zwei Jahren, am 5. September 2015, ehrte die kleine italienische Gemeinde Racconigi eine über die nationalen Grenzen des Landes hinweg bekannte Bürgerin mit einer besonderen Geste. Um 11:30 Uhr wurde an der Westseite der Piazza Carlo Alberto ein Straßenabschnitt neu benannt in „Via Laura Garello Ferrari“. Die am 10. September 1900 in der nahe bei Turin gelegen Ortschaft geborene Laura Garello war die einzige Tochter von Andrea Garello und Delfina Porchietto. Am 28. April 1923 heiratete sie Enzo Anselmo Ferrari, einen der großen Pioniere im Automobilbau, eine Unternehmerlegende zu Lebzeiten, Gründer der weltberühmten Scuderia Ferrari. Als Enzo in den 1920er Jahren um sie warb, war „die dunkle Signora eine Schönheit“. So berichtete es einmal der Motorsportjournalist Hermann Harster. Er war der Frau des „Commendatore“ am 6. August 1961 beim Großen Preis von Deutschland auf dem Nürburgring begegnet und erinnerte sich, dass ihre braunen Augen oft ins Leere starrten, „als käme aus dem Nichts das Wunder.“ Wunder waren im Leben von Signora Ferrari äußerst selten…
Um die Person und das Lebenswerk des Firmengründers Enzo Ferrari zu beschreiben, bedurfte es Millionen Wörter – in Büchern, Zeitschriften, Zeitungen und nun im Internet. Aber nur wenige Worte wurden über die Frau an der Seite des Giganten verloren, die lange Zeit im Hintergrund agierte, dort zunehmend vereinsamte und doch ihr Schicksal bis zum Ende mit einer gewissen Würde ertrug.
Wer war diese Laura Domenica Garello, die in den zahlreichen Biografien über den Ehemann mal als Tänzerin, mal als „puttana“ (Prostituierte), mal als „anständige, aber immer wieder verleumdete Dame“ qualifiziert wird? War sie, wie der italienische Journalist und Buchautor Gino Rancati behauptete, eine „verwirrende Persönlichkeit mit Ecken und Kanten“? Oder war sie das Alter Ego Ferraris, der selber nach ihrem Tod eingestanden hatte „Jetzt, wo sie nicht mehr da ist, fehlt mir ein Bezugspunkt“?
„Wo Liebe herrschte, war für alles andere gesorgt“
In den frühen 1920er Jahren war Enzo Ferrari, der am 18. Februar 1898 in Modena zur Welt gekommen war, in allen möglichen geschäftlichen Angelegenheiten ständig zwischen Mailand und Turin unterwegs. Der amerikanische Biograf Brock Yates schreibt in seiner Publikation „Ferrari – eine Legende lebt“ über diese Zeit: „Er verkaufte und handelte mit Autos, kaufte Ersatzteile, spionierte bei Fiat herum, hörte sich den neuesten Branchenklatsch an und lieferte Autos an Kunden aus.“ Und Ferrari startete eine Karriere als Rennfahrer, die mit dem klassischen Bergrennen Parma-Poggio di Berceto 1919 begann und 1932, nach rund 40 nationalen Motorsportwettbewerben und elf Siegen, endete.
Seine zukünftige Frau Laura Domenica Garello lernte Ferrari bei einer seiner Geschäftsreisen kennen. In der Nähe des Turiner Bahnhofs Porta Nuova. In seinem Beitrag zur Straßenbenennung in Racconigi im September 2015 schrieb Aldo Mano, Journalist der Turiner Tageszeitung „La Stampa“: „Bei ihrer ersten Begegnung nahe der Stazione di Porta Nuova war Laura, die in Turin als Näherin arbeitete, gerade einmal 19 Jahre alt, Enzo war 20. Es war Liebe auf den ersten Blick.“ …
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von Jörg-Thomas Födisch und Graham Gauld
Fotos: LAT, Ferrari, McKlein, The Cahier Archive, Klemantaski, Sammlung Jörg‑Thomas Födisch