Ford gegen BMW, Mike Kranefuss gegen seinen ehemaligen Chef Jochen Neerpasch, dieses deutsch-deutsche Duell in der Tourenwagen-EM 1973 mit Schützenhilfe von Alpina in der großen Division und einem Alfa-Ford-Geplänkel in der kleinen beginnt in Monza mit zwei Überraschungen: Nur neun Wagen erreichen das Ziel, und vor leicht gelangweilter Zuschauerkulisse – immerhin 40.000 – siegt ein schneeweißer Alpina – ohne irgendeinen Sponsor zu zeigen. Am Volant Niki Lauda und Brian Muir! Und damit wären wir bei einem qualitativ und quantitativ gigantischen EM-Fahrer-Aufgebot, dessen Alphabet auszugsweise lautet: Akersloot, Amon, Andersson, Basche, Bell, Betzler, Birrell, Brambilla, Brun, Colombo, Dieudonné, Dini, Ertl, Facetti, Fittipaldi, Fitzpatrick, Gardner, Glemser, Heyer, Hezemans, Hunt, Ickx, Jaussud, Joisten, Kelleners, Koinigg, Kottulinsky, Krebs, Larini, Larrousse, Lauda, Ludwig, Mass, Menzel, Mohr, Muir, Müller, Odenthal, Peltier, Pescarolo, Quester, Ridström, Scheckter, Stewart, Stommelen, Stuck, Uriarte, de Vries, Walkinshaw, Weiß, Wisell, Wollek und Zeccoli. 

Unter der Saison entwickelt sich eine sehr abwechslungsreiche Wettbewerbs-Situation, die zu mitreißenden Rennen führt. Starten die Werks-Capri kraftstrotzend überlegen, so wendet sich das Blatt im Sommer nach der Behebung von Kinderkrankheiten und der Einführung eines mächtigen Homologationspakets bei den Werks-BMW in Richtung München. Und doch ist es wieder ein Alpina-Coupé – mit Harald Ertl und Derek Bell – der BMW den Titel beim Finale in Silverstone sichert, sehr zum Leidwesen von Ertl, denn er hatte versprochen, dass ihm Burkard Bovensiepen bei einem Sieg den Bart abrasieren darf. Barbier Bovensiepen ergreift sofort ein Rasiermesser! Vor diesem Endlauf hatte BMW auf dem Circuit Paul Ricard kräftig zugeschlagen: Quester/Hezemans und Stuck/Amon Erster und Dritter und die „Alpinisten“ Ickx/Hunt und Brun/Kocher Zweiter und Vierter. Ford musste oft Fahrwerks-Probleme lösen ohne sie richtig wälzen zu können: Erst als Fünfter kreuzt der Capri von Mass/Stewart die Ziellinie. Toine Hezemans, schon in Le Castellet zum Europameister gekürt, verrät auf den nächsten Seiten seine Tricks! Aber auch Alpina-Chef Burkard Bovensiepen, Ford-Techniker Thomas Ammerschläger und Dieter Glemser melden sich zu Wort.

von Jochen von Osterroth

Fotos: Archiv BMW

Thomas Ammerschläger, seinerzeit verantwortlicher Ingenieur für den Renn-Capri bei Ford Motorsport, über die Problematik eines Basis-Fahrzeuges mit starrer Hinterachse, aerodynamische Kunstgriffe und seine schwierige Aufgabe, den 1972 sehr dominanten Wagen für die Einsätze in der Tourenwagen-Europameisterschaft des Folgejahres noch schneller machen müssen.

Mike Kranefuss und ich kannten uns aus gemeinsamen Tourenwagen-Rennen. Ich fuhr mit meinem NSU TT, allerdings in einer anderen Hubraum-Klasse als er mit seinem Zakspeed-Escort. 1970 in Hockenheim kam es dann aber doch einmal zu einem unrühmlichen Rencontre. Dort starteten die 1150er- und die 1600er-Tourenwagen ausnahmsweise einmal gemeinsam. In der ersten Schikane im Wald hat sich Mike Kranefuss quergestellt. Ich war im nachfolgenden Pulk und konnte das nicht rechtzeitig sehen. Deshalb bin ich ihm hinten aufs Auto gefahren. Nach dem Wechsel von Jochen Neerpasch und Martin Braungart zu BMW im Frühjahr 1972 rief mich Kranefuss als neuer Ford-Rennleiter eines Tages an und fragte: „Hast Du nicht Lust nach Köln zu kommen und die technische Leitung vom Motorsport zu übernehmen?“ Im August habe ich dann in Köln angefangen. 

Die Capri waren damals schon sehr gut entwickelte Autos und in der Saison 1972 nahezu unschlagbar. Meine Aufgabe war es, sie noch schneller zu machen. Möglichkeiten zur Verbesserung suchte ich zunächst in der Aerodynamik. Ich habe die Kotflügelverbreiterungen geändert. Die neue, eckige Form war strömungstechnisch günstiger als die runde Form vom 72er Auto. Die Stirnfläche verringerte sich geringfügig und damit der Luftwiderstand. Was auch die Aerodynamik deutlich verbessert hat: Vorne praktisch die gesamte Front zuzumachen und die Abluft vom Kühler sehr genau zu führen, so dass der Motorraum nicht beliebig durchströmt wurde. Unter der Motorhaube wurde die kalte Luft durch eine Airbox zu den Einlasstrichtern geführt. Und mit einer Unterbodenverkleidung bis zur Spritzwand war der gesamte Motorraum unten praktisch geschlossen. Das brachte einen weiteren Gewinn hinsichtlich des Luftwiderstands und auch deutlich mehr Abtrieb vorne. Ein Problem war nach wie vor die Achslastverteilung von ca. 55% vorne und 45% hinten. Ich habe deshalb versucht, alles was ging, nach hinten zu packen. Wir haben die Motor-, Getriebe- und Hinterachsölkühler vor den Hinterrädern angeordnet, wo sie durch kleine Schächte angeströmt wurden. Die geringe Hinterachslast blieb das grundsätzliche Handicap des 1973er Capri. 

Natürlich ging auch die Motorentwicklung weiter. Die Firma Weslake, die die Motoren aus dem deutschen V6 entwickelt hatte, hatte noch einmal rund 50 PS gefunden, was schon eine ganze Menge war. Die Motoren wurden damals rennfertig von Weslake geliefert und in Köln gewartet. Das Problem bei Harry Weslakes Mitarbeitern war, dass  sich schwer taten, eine reproduzierbare Qualität abzuliefern. Außerdem konnten sie 1973 nicht genügend Teile für die fälligen Revisionen bereitstellen. Das hat letztendlich zu vielen Ausfällen im Rennen geführt. 

Schraubenköpfe nur dem Scheine nach

Wichtig war auch die Versteifung des Autos. Ich habe einen ganzen Käfig gebaut, der auch die vier oberen Feder-Dämpferanlenkpunkte einbezog. Wir haben so lange Streben durchgeschnitten und an anderer Stelle wieder eingesetzt, bis wir mit dem Ergebnis zufrieden waren. Den Käfig haben wir in die Karosserie eingeschweißt, was nach dem damaligen Reglement allerdings verboten war. Damit wäre aber ein Großteil des Steifigkeitsgewinns wieder verloren gegangen. Wir haben deshalb Schraubenköpfe an den Befestigungspunkten angebracht, so dass es so aussah wie angeschraubt. Das brachte eine deutliche Verbesserung, denn je steifer die Karosserie ist, desto besser kann die Federung arbeiten. Schließlich wurden noch die Radhäuser und die Radaufhängungen verändert, um noch etwas breitere Räder unterzubringen…

von Thomas Ammerschläger

Fotos: Archiv BMW, Helmut Wenz

An einer verschlafenen Dorfstraße, am Rande der mittelalterlichen Altstadt von Baelen beherbergt eine alte Papiermühle aus dem 19. Jahrhundert das Team von MEC auto. Dort, wo einst Papier geschöpft und gelagert wurde, werden heute mit viel handwerklichem Geschick Meilensteine der Motorsportgeschichte zu neuem Leben erweckt. Die Brüder Mike und Stéphan Kupka formten in den vergangenen Jahrzehnten hier eine kleine Mannschaft, die ihre Arbeit bestens versteht. Das zeigte erst vor wenigen Wochen der Gewinn der historischen Gruppe-C-Meisterschaft durch Christophe d´Ansembourg mit dem von MEC auto vorbereiteten Jägermeister-962. 

Beim Betreten der Halle weiß man nicht, wohin man zuerst schauen soll. Gleich neben dem Eingang steht ein weiterer, abgedeckter Porsche 962, dahinter im Drehgestell ein zerpflückter Porsche 910. Ein Durchgang gibt die Nase eines grün-gelben Brabham BT26 frei, der dort aufgebockt steht und wieder komplettiert wird. „Den hat der Meister Jack persönlich noch signiert“, freut sich Stéphan Kupka, der ältere der beiden Brüder. „Wir waren damit vor zwei Jahren in Monaco. Ursprünglich ist das Auto mit dem Repco-Motor auf die Welt gekommen, Jochen Rindt fuhr ihn. Im Zweiten Jahr montierte Jack Brabham hier zum ersten Mal den Cosworth DVF, daher auch noch dieser kuriose Zwischenraum zwischen Chassis und Motor – diesen füllt heute noch immer die alte Feuerlöscher-Flasche, natürlich leer.“ Drei Chassis dieses Typs BT26 wurden gebaut: für Brabham und Ickx als Einsatz-Monoposti für die F1-Saison 1969 sowie ein T-Car. Einen der drei BT26 pilotierte 1970 der Südafrikaner Pieter de Klerk vom Team Gunston. „Relikte des Jckx-Fahrzeuges  kamen  bei einem bedauerlichen Crash in Monaco zum Vorschein.“

Die Nase des Autos war nach dem Monaco-Unfall in mehr als 50 Einzelteile zersplittert, das Problem der Mannschaft damals: Es gab keine Ersatzteile mehr. „Ich habe dann alles wie ein Puzzle wieder zusammengesetzt und dabei ein Holzstück des Flügels gefunden, auf dem ICKX mit dickem Filzstift geschrieben stand“, beschreibt Stéphan Kupka die mühsame Kleinstarbeit. „Ein tolles Zeitdokument und schade um die originale Nase des Autos, klar. Aber gut, die Autos sind zum Rennen fahren gebaut worden. Wir haben aus dem zusammengesetzten Puzzle eine Form gebaut und eine neue, sehr leichte Nase produziert, damit das Auto wieder einsatzfertig ist.“ 

Erinnerungen an Formel 1-Legenden

Die Formel 1 ist seit jeher das Nonplusultra für Stéphan, der selbst einmal von einer Karriere als Rennfahrer träumte – und sie startete. Heute ist seine Leidenschaft die historische Formel 1. „Dort sind wir jetzt seit 16 Jahren aktiv und haben dementsprechend auch viele der alten Größen kennen gelernt“, freut sich Stéphan über diese einmaligen Möglichkeiten. „Wir hatten viele tolle Momente und interessante Begegnungen während der letzten Jahre. Ich erinnere mich gut an ein Gespräch mit Emerson Fittipaldi, das am Rande einer Veranstaltung mehr als 1,5 Stunden dauerte – bis seine Kollegen ihn dann loseisten und sie weiter zogen, weil er zur Zeitnahme musste.“ 

2004 gewann das Team von MEC auto die Historische FIA-Formel-1-Weltmeisterschaft. „Wir sind in Monaco bei der offiziellen FIA-Preisverleihung gewesen“, erinnert sich Stéphan. „Unser damaliges Auto, der 76er March 761 stand vorn im Eingang dieser offiziellen FIA-Veranstaltung, das war ein toller Moment. Wir hatten mit Rodrigo Gallego einen Kunden aus Portugal, der das Thema stark vorangetrieben hat, der wollte unbedingt alles fahren. ‚Wenn das Auto in Stücken liegt, muss es eben in drei Wochen zum nächsten Rennen wieder fertig sein, egal was passiert‘, das war seine Devise. Das war klasse.“ Ein frischer Ersatzmotor und ein komplettes Ersatzfahrwerk standen ständig bereit, so konnte das Team in der Erfolgsspur bleiben. 

Auch beim ersten Formel 1-Lauf in Bahrain 2004 fand ein Lauf zur historischen Weltmeisterschaft statt, „nach einem Batterieschaden wurde der March abgeschleppt – mit einem Marschall im Auto und einem vorneweg in einem Jeep“, es schüttelt Stéphan noch heute beim Gedanken daran. „Die beiden konnten sich nur nicht einigen, ob sie nun bergauf oder bergab fahren sollten. Da haben sie unser Auto überschlagen. Wir warteten sehnsüchtig in den Boxen – kein Auto zu sehen. Dann kam Mr. Ecclestone persönlich und sagte uns, dass das Auto jetzt geliefert würde. ‚Wir bleiben hier und schauen uns das an‘, sagte er. Da kam unser Auto tatsächlich, einmal auf den Kopf gestellt und im Sand paniert wie ein Schnitzel, das Öl raus – es war ein grausamer Anblick. Ecclestone sagte: ‚Das tut uns furchtbar leid. Macht bitte einen Preis, was die Reparatur kostet und sendet uns die Rechnung. Wenn ihr hier vor Ort reparieren könnt und Hilfe benötigt, ihr könnt in jedem Formel 1-Team nach Hilfe fragen, die wissen Bescheid.‘ Wir konnten nach langer Arbeit starten und unsere Rechnung wurde wirklich bis auf den letzten Cent anstandslos bezahlt…“

von Robert Weber

Fotos: Stéphane Sasso, Jens Peterhoff

Die Wort-Zahlen-Kombination „Gruppe 7“ wird sicher jedem Motorsport-Kenner glänzende Augen und großartige Erinnerungen an die glorreiche Can-Am Epoche 1966 – 1974 bescheren. Erinnerungen an Kämpfe der monströsen Sportwagen von McLaren, Shadow, Chaparral und den offenen, aufgeladenen Porsche 917. Doch auch in Japan entstanden Ende der 60er Jahre beeindruckende Gruppe 7-Rennwagen, die an spektakulären Sportwagen-Läufen im Land der aufgehenden Sonne teilnahmen. In Teil 1 unserer Geschichte über den Toyota 7 berichten wir über Hintergründe und Entstehung des ersten Toyota-Sportwagens sowie dessen Debütsaison 1968.

Um Toyotas Beweggründe für den Bau eines Gruppe 7-Sportwagens zu verstehen, müssen wir zurück ins Japan der frühen 60er Jahre blicken. Einer Zeit, in der die japanischen Automobilhersteller ihre Serien-Fahrzeuge bereits intensiv nach Übersee exportierten, das Land selbst in Sachen internationaler Rennsport jedoch noch stark isoliert war. Dies sollte sich 1962 mit Eröffnung der Honda-eigenen Rennstrecke in Suzuka und der ersten Großveranstaltung dort, dem Großen Preis von Japan für Sport- und Tourenwagen 1963, ändern. Für dieses Rennen wurde der anerkannte Schweizer Journalist und Rennsport-Experte Jabby Crombac beauftragt, ein Starterfeld mit Teilnehmern aus der europäischen Sportwagen-Szene einzuladen. Der Brite Peter Warr, später Lotus Team-Manger, pilotierte im Hauptrennen des Grand Prix einen Lotus 23-Ford zu einem historischen Sieg. Die einheimischen Hersteller hatten keine eigenen Sportwagen, um konkurrenzfähig im Grand Prix zu starten, nahmen aber erfolgreich an den Rahmenrennen für Tourenwagen teil. So pilotierte der US-Amerikaner und spätere F1-Fahrer Ronnie Bucknum für Honda einen S800. Toyota und Datsun teilten sich die Tourenwagen-Lorbeeren mit Klassensiegen ihrer Limousinen-Modelle auf. Es war jedoch bald klar, dass Erfolge in Rahmenrennen und Klassensiege für die ambitionierten Hersteller aus Japan nicht wirklich befriedigend sein konnten. 

Honda war zu dieser Zeit bereits erfolgreich im Motorrad-Rennsport aktiv und stark daran interessiert, auch sein internationales Image als Automobilhersteller zu verbessern. So brachte Honda bereits 1964 ein eigenes Fahrzeug in der Formel  1-WM an den Start. Der Rest der japanischen Hersteller realisierte schnell, welch immenses Marketing-Potential eine erfolgreiche Beteiligung im Motorsport bieten würde und begann sich nun verstärkt zu engagieren, so auch bei der wichtigsten Motorsport-Veranstaltung des Landes, dem inzwischen traditionell am 3. Mai ausgetragenen Grand Prix von Japan für Sportwagen. Die Prince Motor Company, welche später mit Nissan fusionieren sollte, brachte für den GP 1964 eine Rennversion des neuen Skyline GT an den Start. Der Große Preis 1964 wurde von Shikiba Soukichi’s Porsche 904 gewonnen, die Prince Skyline waren aber bereits  erstaunlich konkurrenzfähig und belegten hinter dem Porsche die Plätze zwei bis sechs, was das einheimische Publikum euphorisch jubeln ließ. Auch die japanischen Medien berichteten ausführlich und überaus positiv über den erfolgreichen Skyline-Einsatz im Grand Prix. Daraufhin beschloss Prince den Bau eines reinen Sport-Prototypen, den Prince R380. Nach der 1966 vollzogenen Fusion von Prince und Nissan wurde das Fahrzeug als Nissan R380 eingesetzt. Im Großen Preis von Japan 1966, der nun erstmals auf dem neu eröffneten Fuji Speedway am Fuße des höchsten japanischen Berges ausgetragen wurde, erzielte der Nissan R380 einen sensationellen Doppelsieg. Nissans Sieg wurde zwar durch Ausfälle der favorisierten drei Porsche 906 sowie eines Cobra Daytona Coupé begünstigt, dennoch war dies der historisch bedeutende erste Gesamtsieg eines japanischen Sportwagens über die Fahrzeuge aus Europa und den USA…

von Robert Weber & Andreas Riehl

Fotos: Car Graphic

Ort der Handlung: „Maxing Stüberl“, beliebte Kneipe in der Maxingstraße in Wien Hietzing, gleich neben dem Schlosspark Schönbrunn. Handelnde Personen: Jochen Rindt und Erich Glavitza beim gemeinsamen Abendessen. Am Tisch duftender Zwiebelrostbraten, zwei halbvolle Flaschen Mineralwasser. Reges Treiben im Wirtshaus.  Rindt hatte eben von Porsche Salzburg einen orangegelben 911 S als Privatkutsche zur Verfügung bekommen.

Erster Akt:  Der Ungeduldigste unter den Ungeduldigen

Jochen erzählte vom neuen 911er – der „ginge“ wie sein Formel-2-Rennwagen (Brabham BT 23 C) beziehungsweise der „Neinöffa“ (Neunelfer) wäre kaum langsamer und somit ein sensationelles Auto, wie er sich noch Zwiebelrostbraten kauend ausdrückte.

Er merkte, dass ich ihm das nicht ganz abgenommen hatte und legte ein „Schäuferl“ nach: „Glaub´ma, mit sowas bist du noch nie g´foan“ (Glaube mir, mit so etwas bist du noch nie gefahren). Da konnte ich schwer widersprechen. Für gewöhnlich trieb ich Mutters gelben VW-Käfer bis zum Wahnsinn, und an diesem Tag war ich mit einem Testwagen von Daimler-Benz Österreich, einem Mercedes 200 D  in mausgrauer Tarnbemalung gekommen. Man vergesse nicht, die Welt lag damals noch im so genannten Kalten Krieg – und Nikita Sergejewitsch Chruschtschow drosch mit einem Schuh im UNO-Hauptquartier auf´s Podium, aber das ist eine andere Geschichte... Der Merz´l (Wiener Slang für Mercedes) verfügte über ein Lenkrad mit dem Dimensionen des Steuerrads der „Santa Maria“ von Christopher Columbus und einer atemberaubenden Beschleunigung – auf der „standing Quartermile“ hätte man einen Güterzug ohne mit der Wimper zu zucken Paroli bieten können.

Jochen sah mich erstaunt an, schließlich hatte es vor mir noch niemand gewagt, ihn zum Thema Auto nicht Ernst zu nehmen. Er stand auf, wischte sich mit der Serviette den Mund ab, gab der Wirtin ein Zeichen, legte ein paar Scheine auf den Tisch – obwohl er nicht betrunken war, bezahlte er auch meine Zeche – und deutete mir ungeduldig alles am Tisch stehen und liegen zu lassen und ihm sofort und ohne dumme Fragen zu stellen zu folgen. Jochen war Zeit seines Lebens der Ungeduldigste unter den Ungeduldigen dieses Planeten.  

Dann ging´s mit seinem neuen „Neinöffa“ Richtung Westautobahn, die damals dreißig Kilometer außerhalb Wiens ihren Anfang hatte…

von Erich Glavitza

Fotos: Michael Alschner